Xi’an: Wo die Seidenstraße beginnt und die Terrakotta-Armee wacht
Nachdem wir um zehn Uhr morgens mit dem Zug in Beijing gestartet sind, waren wir 1.000 Kilometer weiter westlich und vier Stunden später in Xi’an angekommen. Der Name Xi’an setzt sich aus den chinesischen Schriftzeichen 西 (Xī), das „Westen“ bedeutet, und 安 (Ān), was „Sicherheit“ oder „Frieden“ bedeutet, zusammen. Wörtlich übersetzt bedeutet Xi’an also „Westlicher Frieden“ oder „Sicherheit im Westen“. Der Name spiegelt die historische Bedeutung der Stadt wider, da sie als westliche Hauptstadt und Ausgangspunkt der Seidenstraße eine zentrale Rolle in Chinas Geschichte einnahm.
Unser Zimmer im Mercure Xi`an City Centre überzeugte uns auf Anhieb, nicht zuletzt wegen der vollautomatischen Toilette, die David besonders begeisterte. Nach einer kurzen Pause im Hotel machten wir uns bei Einbruch der Dunkelheit auf den Weg in die Innenstadt, die nur sieben Gehminuten entfernt lag. Bereits auf den ersten Blick verzauberte uns Xi’an mit seinen wundervoll beleuchteten Gebäuden, die natürlich unzählige Besucher anziehen.
Zwei der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt sind der Glockenturm (Bell Tower) und der Trommelturm (Drum Tower). Beide strahlen eine zeitlose Schönheit aus und sind nachts besonders spektakulär. Danach schlenderten wir durch das alte Xi’an Muslim Dasi Residential Quarter.
Diese belebte Straße ist gesäumt von Essensständen, die eine unglaubliche Vielfalt an lokalen Spezialitäten anbieten, während sich Menschenmassen durch die engen Gassen drängen. Xi’an präsentierte sich uns als pulsierende Stadt, die einen beeindruckenden Schatz an historischen Stätten beherbergt – ein Vermächtnis ihrer Bedeutung als Handelspunkt seit dem Mittelalter.
Auf der Stadtmauer unterwegs
Am nächsten Tag erkundeten wir eines der imposantesten Bauwerke der Stadt: die Stadtmauer von Xi’an. Diese ist stolze zehn Meter breit und erstreckt sich über eine Länge von 14 Kilometern. Ursprünglich erbaut, um die Stadt vor äußerlichen Bedrohungen zu schützen, beeindruckt sie auch heute noch mit ihrer schieren Größe und massiven Konstruktion.
Die Stadtmauer wurde während der Ming-Dynastie (1368–1644) erbaut, basiert jedoch auf Fundamenten aus der Tang-Dynastie. Sie umfasst die gesamte Altstadt von Xi’an und verfügt über vier Haupttore, die jeweils in die Himmelsrichtungen zeigen: Nord-, Ost-, Süd- und Westtor. Dank ihrer Breite von 10 bis 12 Metern war sie nicht nur eine Verteidigungsanlage, sondern bot auch genug Platz für Soldaten, Pferde und Wagen. Heute gilt sie als eine der am besten erhaltenen Stadtmauern in China.
Da uns an diesem Tag ein starker Wind begleitete, entschieden wir uns, die Mauer mit Fahrrädern zu erkunden. Doch obwohl das eine gute Idee war, gestaltete sich das Radfahren dennoch als anstrengend – die Räder sind offensichtlich für kleinere chinesische Fahrer ausgelegt. Unterwegs beobachteten wir zahlreiche junge und nicht mehr ganz so junge Chinesinnen, die in traditionellen Gewändern auf der Mauer posierten. Dieses Schauspiel brachte uns häufig zum Schmunzeln.
Übrigens: Fahrradfahren ist in China extrem populär. Überall in der Stadt sieht man Hunderte von Leihrädern, die bequem und günstig zur Verfügung stehen und mit der App Alipay entsperrt und bezahlt werden können.
Die Terracotta-Armee
Ein weiteres Highlight unseres Aufenthalts in Xi’an war der Besuch der weltberühmten Terracotta-Armee. Diese wurde 1974 von Bauern aus der Gegend entdeckt – eine unglaubliche Entdeckung, da es keinerlei historische Aufzeichnungen über die Existenz dieser Armee gab. Bisher wurden mehr als 2.000 Krieger und Pferde ausgegraben und restauriert, während weitere 6.000 noch unter der Erde verborgen liegen.
Jeder einzelne Krieger ist einzigartig und besitzt ein ganz individuelles Gesicht. Diese Figuren wurden bereits 200 Jahre vor unserer Zeitrechnung hergestellt – eine unfassbare Leistung und vermutlich die erste Massenproduktion der Welt. Die gesamte Terracotta-Armee gehört zu dem Mausoleum von Qin Shi Huang, dem ersten Kaiser Chinas. Es wird geschätzt, dass an der Erstellung der Krieger rund 700.000 Arbeiter beteiligt waren. Zusätzlich zu den Kriegern wurden auch Streitwagen und Waffen gefunden, die die hohe Handwerkskunst jener Zeit verdeutlichen.
Wir hatten das Glück, sehr früh morgens zur Eröffnung vor Ort zu sein, sodass es noch nicht allzu voll war. Als wir jedoch gingen, waren bereits unglaubliche Menschenmassen eingetroffen, und wir waren froh, dem Trubel entkommen zu können.
Kulinarische Entdeckungen
Am Abend rundeten wir unseren Tag mit einem Besuch in einem typischen Nudelrestaurant ab. Dort probierten wir die regionalen Spezialitäten – die Liuxiang-Nudeln. Diese Nudeln sind bekannt für ihre breite und handgezogene Form, die besonders zäh und geschmackvoll ist. Sie werden traditionell in einer reichhaltigen Brühe serviert, die mit Rind- oder Lammfleisch, Koriander und regionalem Gemüse ergänzt wird. Die Soße ist oft würzig und vollmundig, was den Geschmack der Nudeln perfekt unterstreicht. Für die Schwaben unter uns: Sie erinnern ein wenig an Spätzle mit Gulasch und Gemüse, jedoch mit einem exotischen, asiatischen Twist. Ein echter Genuss und ein absolutes Muss für jeden Besucher von Xi’an!
Fazit
Xi’an, diese faszinierende alte Handelsstadt mit ihrer beeindruckenden Stadtmauer, der weltberühmten Terracotta-Armee und ihrem lebendigen Treiben, hat uns bereits in den ersten Tagen begeistert. Die Mischung aus Geschichte, Kultur und moderner Lebensfreude hat uns immer wieder staunen lassen. Die Begegnungen mit den Menschen, das fantastische Essen und die einzigartige Atmosphäre der Stadt machen den Aufenthalt zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Auch wenn wir nun langsam spüren, dass der Winter vor der Tür steht – „Winter is coming“ (frei nach Game of Thrones) – fühlen wir uns hier wunderbar aufgehoben. Eines steht fest: Wir kommen ganz sicher wieder, denn Xi’an hat noch so viel mehr zu bieten, das wir erkunden möchten.